Intuitiv Essen • Teil 2: Der Kampf gegen den Heißhunger

Eine erste Richtlinie für das Intuitive Essen lautet: Man isst nach seiner eigenen inneren Uhr:

Das heißt, man isst dann, wenn man denkt, dass man hungrig ist und kümmert sich nicht um Tages- und feste Mahlzeiten-Rhythmen. Von wegen drei Mahlzeiten am Tag! Unser Körper sagt uns, wann er was braucht. Zunächst ist dabei nur wichtig, dass man seinen echten Hunger wieder erkennt.
Wie? Ihr denkt ihr kennt euren echten Hunger schon? Also das ist doch der, bei dem man unheimlich Magenknurren hat und sich wünscht, man wäre eine Pizza, um sich dann selbst zu essen und zwar jetzt!!! – Oder?
Eben nicht.

Sogenannter Heißhunger tritt immer plötzlich auf. Das fühlt sich dann meist an wie ein Schlag in die Magengrube gepaart mit einer Art vampirischen Blutdurstes. Grund dafür sind die berühmten Auf und Abs in der Achterbahn des Blutzuckerspiegels (ich denke, das muss man nicht mehr näher erklären…), von denen einem leider selten schlecht wird. Es ist einem ab einer gewissen Zeit sogar nicht einmal mehr bewusst, was man seinem Körper antut. Man denkt, es sei völlig normal und – zumindest ging es mir so – ich kannte Hunger nur in dieser Form. Dabei konnten Heißhungerattacken bei mir schließlich nicht nur durch einen riesigen Teller Nudeln, Reis oder Kartoffeln – welche ja bekanntlich viele böse Kohlenhydrate“ enthalten – ausgelöst werden, wie es immer bei wissenschaftlichen Artikeln beschrieben wird. Nein, nein. Ich bekam Heißhunger von den scheinbar harmlosesten Lebensmitteln, von Obst zum Beispiel. Eine Birne, ein Apfel und ein paar Erdbeeren und schon ging es rund. Sogar das „gesunde“ leckere Müsli am Morgen, das einem ja in jedem Ratgeber empfohlen wird, verhielt sich so: Kurz nach 8 Uhr gegessen und um 10 Uhr schon wieder „Hunger“. Und dann nicht einfach nur ein Brot essen wollen, sondern drei und danach noch einen Schokoriegel, weil man sich noch nicht befriedigt fühlte.
Als ich mit dem intuitiven Essen begann, hatte ich anfangs noch immer dieses Problem und fragte mich, woher es denn wohl kam. Der Grund erschließt sich mir erst jetzt, wo ich dieses Phänomen nicht mehr so häufig erlebe. Was mache ich denn jetzt anders?

Die Antwort: Ich bin entspannter beim Essen. Ich weiß, dass ich jederzeit wieder essen kann, wenn ich hungrig bin.

Und da haben wir es wieder, das berühmte Wort mit ‚S’… Stress! Unser Köper reagiert natürlich! darauf, wenn wir gestresst sind. Dann ist auch unser Stoffwechsel gestresst. Und da unser Überlebenssystem gelernt hat: „Massenhaft Zucker ist nicht gut! Wenn zuviel Zucker im Blut ist, dann müssen wir alle in Panik ausbrechen und es so schnell wie möglich loswerden!“- u.a. in die Speicherzellen (so ähnlich reagiert unser Körper nämlich auf eine Portion Eis mit vier bis fünf Kugeln, die wir uns gewaltsam einverleibt haben), wird in stressigen Zeiten schon bei der kleineren Portion Zucker die Hemmschwelle für den ‚Panik-Knopf‘ erreicht sein.

Um aus diesem Teufelskreis herauszukommen sind einige recht radikal. Das Motto lautet dann: „Kein Zucker mehr! (Wahlweise: Nie wieder Süßes!)“ – Wer’s glaubt?!
Auch ich war sehr motiviert, ich dachte, ich könne mich selbst austricksen. Statt Süßigkeiten aß ich Obst, statt Wein trank ich Wasser… und ich war wieder nicht entspannt!

Die bessere Methode wäre:
Im ersten Schritt sich selbst zu beobachten.
Im zweiten Schritt ein Muster in seinem Verhalten zu erkennen.
Im dritten Schritt versuchen das Muster zu durchbrechen.
und dann: wiederholen, wiederholen, wiederholen.

Das Prinzip gilt übrigens für alle Verhaltensweisen, die man so an sich verändern kann und möchte.

Ein Beispiel:
Nachdem ich anfing das Buch „Intuitiv Essen“ (Elyse Resch & Evelyn Tribole) zu lesen, achtete ich mehr auf meine körperlichen Signale und fand dabei heraus, dass ich nach dem Müsli morgens spätestens nach zwei Stunden eine fiese Heißhungerattacke bekam (Beobachtung!). Ich testete dies immer wieder aus. Manchmal aß ich morgens kein Müsli, dafür etwas anderes (z.B. Rührei), um herauszufinden, ob es allgemein eine Reaktion auf das Frühstück gab, oder ob es speziell das Müsli verursachte. Ergebnis: Es war das Müsli. Es war auch nicht das Obst im Müsli. Das testete ich, aber auch ohne Obst kam der Heißhunger. Plötzlich, heftig, ohne Vorwarnung – wie die GEZ! Es war zum verrückt werden! (Muster erkannt!) Nun würde ja jetzt jeder sagen: „Dann iss doch das Müsli nicht mehr, wenn du davon Heißhunger bekommst!“ Ganz so einfach wollte ich es mir allerdings nicht machen. Ich vermutete, dass es bei mir trotz Vollkornhaferflocken & Co. zuviel Zucker auf einmal in den Blutkreislauf freischoss und direkt meine niedrige Zucker-Alarm-Hemmschwelle (siehe oben) überschwemmte. Aber ich dachte auch an die Zukunft: Was sollte ich denn tun, wenn ich einmal richtig Lust auf Müsli hatte (oder auf andere süße Sachen)?

Komplette Abstinenz lehrt uns keinen vernünftigen Umgang mit Lebensmitteln!

Ich reduzierte ab dann die Menge des Müsli auf ca. die Hälfte. Dazu aß ich ein Ei oder etwas anderes eiweißlastiges. Wenn der Heißhunger dann immer noch kam, versuchte ich Ruhe zu bewahren. Das war nicht immer leicht, da ich um diese Uhrzeit meistens bei der Arbeit war und mich konzentrieren musste.
Der Heißhunger gaukelt uns dann meist vor: „Mhhh dieser leckere Schokoriegel, den du dabei hast, der wär jetzt echt was. Oder vielleicht holst Du dann lieber noch eine süße Leckerei beim Bäcker! Yamm!“
Immer wenn ich solche Gedanken hatte sagte ich innerlich: „Stop! Erstmal nachdenken! Erstmal in sich hineinhorchen! – Ist das Freund Heißhunger? Oder habe ich gerade wirklich Lust auf etwas Süßes? – Würde ich es jetzt genießen etwas Süßes zu essen? Oder stopfe ich es dann nur sinnlos in mich rein, damit mein Blutzuckerspiegel zufrieden ist?
Sich diese Fragen zu stellen ist so unendlich wichtig! Egal, ob man dann erst einmal dem Heißhunger wieder verfällt, schon beim nächsten Mal wird es einfacher sein, „Stop“ zu sagen.

Intuitiv zu essen ist ein Prozess, in den wir hineinwachsen werden. Es ist kein „Wehe-dem-Du-machst-es-falsch,-dann-setzt-es-was“-Gesetzbuch.

Ich habe mich mit jedem Schritt in die richtige Richtung gefreut: Wenn ich bei einer Heißhungerattacke zwar etwas Süßes gegessen hatte, aber vielleicht nur zwei/drei Bissen und dann aufhörte. Wenn ich während einer Heißhungerattacke Ruhe bewahrte, durchatmete und überlegte, was zu tun ist. Wenn ich dann den Heißhunger killte, indem ich Nüsse, frisches oder trockenes Obst aß. Und das langsam und nicht hastig schlingend. (Muster versuchen, zu durchbrechen!) So nach und nach, mit der Zeit und mit wachsendem Vertrauen in meinen Körper, in seine Hunger- und Sättigungssignale und seine Gelüste wurden die Heißhungerattacken immer weniger. Weg sind sie natürlich noch nicht, aber ich weiß jetzt, was zu tun ist, wenn sie kommen. Es ist nicht so, dass sie nicht da sein dürfen! Zucker ist und bleibt nun einmal eine Art Droge. Es ist normal, dass man Heißhunger bekommt, wenn man etwas Süßes gegessen hat. Aber je entspannter man damit umgehen kann, desto weniger schlimm artet die Situation aus. Man fühlt sich nicht länger überwältigt, sondern gewinnt die Kontrolle. Wenn man sich nichts verbietet und alles erlaubt ist, dann ist der Reiz eben nicht mehr so groß.

Über das Erkennen und Einschätzen des normalen Hungergefühls beim intuitiven Essen erzähle ich in meinem nächsten Beitrag etwas mehr.

Bis bald!
Eure Jenny

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